Reaktion auf den Artikel „Solingen geht uns alle an“ und die Aussage der Direktkandidatin für den Bundestag Frau Gülistan Yüksel, man* solle rechte Demonstrationen lieber ignorieren um rechten Gruppierungen keine Plattform zu bieten. (Erschienen im „Extra Tipp am Sonntag“ 2.Juni 2013)
Dem Arbeitsansatz “Nazis ignorieren” gehört eine klare, deutliche und vor allem notwendige Absage erteilt. Denn Nazis ignorieren bedeutet in erster Linie Nazis zu tolerieren!
Aufmärsche von gewaltbereiten Rechtsextremen und anderen Rassisten stellen eine immense Bedrohung dar, und dürfen allein deshalb nicht ignoriert werden. Der Vorschlag des Wegignorierens blendet auch völlig aus, dass es zahlreiche praktische Gründe gibt gegen eine Nazi-Demonstration zu protestieren, die über ein symbolhaftes Ablehnung-zeigen hinausgehen. Für ihre politischen Feindbilder, wie Migrant*innen, Homosexuelle oder Obdachlose, stellen Nazis dauerhaft eine Bedrohung dar. Von den Hasspredigern der Szene noch aufgeheizt besteht beständig die Gefahr, dass sich aus einer Nazi-Demo heraus rassistische Übergriffe auf Personen oder Angriffe auf Gebäude ( z.B. Synagogen, Moscheen, Gewerkschaftshäuser ) ereignen.
Jeder erfolgreiche Aufmarsch der extremen Rechten, der ungestört vollzogen werden kann, wird von den Nazis als Sieg wahrgenommen – immerhin wurde Ihnen die Straße überlassen. Öffentlicher Raum steht bereit für ihre menschenverachtende Ideologie, und das, ganz ohne gestört zu werden. Dies kommt lediglich als bestärkendes Signal bei den Teilnehmern der rechten Veranstaltung an. (Ein Beispiel hierfür ist der Gedenkmarsch der Nazis in Dresden. Anfangs ignoriert oder sogar begrüßt wuchs dieser jährliche Aufmarsch innerhalb weniger Jahre zu Europas größten Neonaziaufmarsch mit bis zu 7000 Teilnehmern an. Erst ein entschlossener und bundesweit organisierter antifaschistischer Widerstand und Blockaden konnten die Nazis in Dresden wieder zurückdrängen.)
Durch ein ständiges “begleiten” oder dem blockieren von Nazi-Aufmärschen und -Ständen wird verhindert, dass diese ihre Hetze in der Bevölkerung verbreiten können. In Orten und Städten in denen es in der Vergangenheit keinen antifaschistischen Widerstand gab, gelang es Nazis regelmäßig, bei Bürgern mit extrem rechten Einstellungen anzudocken und entsprechende Wahlsiege davon zu tragen.
Mit der Festellung “In Mönchengladbach geht es in kleinen Schritten vorran” liegt die Sonntagszeitung Extra Tipp falsch. Wer sich anschaut, was sich alleine in diesem Jahr in Mönchengladbach an faschistischen und rassistischen Veranstaltungen ereignet hat, kommt schnell zu der Feststellung, das sich Mönchengladbach wieder(einmal) zu einem “Spielplatz” von rechten Gruppierungen entwickelt. Nicht nur regelmäßige Stammtische, Kundgebungen und andere Aktionen von rechten Parteien wie Pro NRW, Die Rechte und NPD gehören dazu, sondern auch vermehrtes Auftreten von anderen rechten Gruppierungen wie der “Wacht am Rhein” und den “Identitären”. Auch in der Mönchengladbacher Altstadt werden immer wieder Neonazi-Gruppen von Ausserhalb gesichtet, die ihre lokalen Anhänger unterstützen und einfach “nur” Präsenz zeigen wollen. So eine Präsenz wird oftmals dazu genutzt um Migrant*innen und andere Menschen zu beleidigen und zu bedrohen. Diese neuen oder schon seit Jahren bestehenden Misstände zeigen: Mönchengladbach ist eher dabei ein paar Schritte zurück statt vorwärts zu machen.
Der Vorschlag, Nazis ignorieren zu wollen, kommt erstaunlich oft aus der Mitte von Parteien die aktiv oder passiv dazu beitragen das Menschen abgeschoben werden oder dabei zuschauen wie an den Grenzen der abgeschotteten “Festung Europa” jedes Jahr tausende Flüchtlinge umkommen oder unter den erbärmlichsten Umständen in Haft genommen werden.
Nazis kommen aus der Mitte der Gesellschaft und sind die Konsequenz aus dem rassistischen Alltag dieser Gesellschaft und den rassistischen Praktiken dieses Staates. Solange Flüchtlinge einer staatlichen Selektion ausgeliefert sind, die sie in nützliche, d.h. kapitalistisch Verwertbare, oder in nicht nützliche Personen unterteilen, und zweitere auch gerne wieder in Krisengebieten abgeschoben werden, fühlen sich Nazis in ihrem Handeln bestätigt.
In Anbetracht der kommenden Bundestagswahl und dem anhaltenden Engagement der Integrationsrastvorsitzenden in der “Flüchtlings- und Integrationspolitik” fordern wir von Gülistan Yüksel (Bundestagskandidatin der SPD für Mönchengladbach) eine Stellungnahme zum Thema europäische Flüchtlingspolitik, zu der Frage wie dem rassistischen Alltag der Flüchtlinge an Europas Grenzen entgegnet werden soll und Ihren persönlichen Einsatz gegen die überzogenen Mittel und Handlungsbefugnisse der „Europäischen Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen (Frontex)“.
Zuletzt muss gesagt werden das Antifaschismus sich nicht auf den Kampf gegen Nazis und deren Strukturen beschränken darf. Es bedarf außerdem einer erheblichen Kritik an den aktuellen Umständen, welche es erst möglich machen das sich Nazis aus der Mitte der Gesellschaft heraus entwickeln können. Der Kampf gegen Kapitalismus und Nationalismus muss elementarer Bestandteil eines jeden Antifaschismus sein.
„Wer aber vom Kapitalismus nicht reden will, sollte auch vom Faschismus schweigen.“ -Max Horkheimer
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Danke für die Antwort auf Extra-Tipp und Frau Yüksel, und danke für den analytischen Schlussakkord – der sich um ein paar Noten ergänzen lässt: In diesem Land ist das faschistoide Denken und Fühlen quer durch die Gesellschaft immer lebendig geblieben, ProNRW etc. verdanken ihr Vorhandensein nicht zuletzt dieser Tatsache; und zu Frontex, Marokko, Asylantenhatz und Vertreibung von Armutsflüchtlingen wüsste Horkheimer heute zu sagen: nur Kreaturen, die man für minderwertig hält, jagt man gezielt in den Tod.